Weilheim ist am Zug
von Dr. Ulrich Mors
Liebe Zuhörer/innen, sehr geehrter Herr Bürgermeister Züfle mit Verwaltung, liebe Gemeinderäte. Auch ich möchte mich im Namen der Sozialen Bürgervereinigung zunächst bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die im letzten Jahr geleistete Arbeit herzlich bedanken.
Werbung für Kommunalpolitik:
Ich bin jetzt ein gutes Jahr Stadtrat und möchte eine Lanze brechen für das konstruktive, gute Miteinander im Rat. Leider wird diese gute Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung von manchen Mitbürgern als „die Abgehobenen da oben“ wahrgenommen. Das ist nicht so. Es gibt durchaus Kontroversen und Meinungsverschiedenheiten und das ist in einer Demokratie gut so. Aber jeder versucht mit seinen Überzeugungen und in seiner Rolle das beste für unsere Stadt Weilheim zu erreichen. Ein Riesenvorteil der Kommunalpolitik ist: Gerade auf kommunaler Ebene gibt es ein prima Mittel, die „da oben“ aus der Nähe zu erfahren, - und sogar mitzumischen: Dieses Jahr ist Gemeinderatswahl: Mein Vorschlag an alle ernsthaft Interessierten: Suchen Sie eine Gruppierung, die zu Ihnen passt, informieren Sie sich und lassen Sie sich vielleicht sogar als Kandidat aufstellen. Jeder, der nicht nur „alles besser weiß“, sondern es konstruktiv und verantwortungsvoll auch besser macht, ist am Zug und herzlich willkommen. Das gilt besonders, aber nicht nur für die Jungen. Es ist schade, dass gerade diejenigen, die mit unseren politischen Entscheidungen noch lange leben müssen, so wenig Interesse zeigen.
Jugend:
Das Jugendforum und die Beteiligung am Zehnweintrunk sind gute Ansätze, die Jüngeren an die kommunale Politik heranzuführen. Hier sollte den engagierten Menschen gezeigt werde, dass zwar nicht alles geht, aber doch manches. Z.B sollte unbedingt eine Mountainbike-Strecke, ein sogenannter Pumptrack in Hepsisau umgesetzt werden. Dann erhält die Jungend einen Aufenthalts- und Bewegungsraum und die Engagierten sehen: „Es geht was, engagieren kann sich lohnen“.
Eine weitere Idee, die Jungen für Ihre Stadt zu erwärmen, könnte die Einbeziehung in eines unsere Großprojekte 2019 sein: Die Rückseite des neuen Kindergartens Schellingstaße (also die zur Schule gewandten Seite) ist eine prima Gelegenheit für einen Graffiti-Wettbewerb. Viele Städte haben gute Erfahrungen damit gemacht, Jugendliche aktiv zur Gestaltung „ihres“ Kunstwerkes zu animieren. Hier könnten die Malklassen der Realschule oder ein Projekt des Kinder- und Jugendtreffs zum Zuge kommen und damit mögliche Schmierereien von Anfang an den Zahn gezogen bekommen.
In den vielen Vereinen der Stadt wird engagierte, hervorragende Jungendarbeit gemacht. Die Stadt beteiligt sich daran. Und das ist gut so. Allerdings wurde der städtische Zuschuss seit über 15 Jahren nicht angehoben. Die Kosten der Vereine für Versicherungen, Schulungen oder aktuell den Datenschutz sind dagegen in dieser Zeit deutlich gestiegen. Die SBV beantragt daher, den städtischen Zuschuss für die Jungendarbeit der Vereine maßvoll auf 15,00 € zu erhöhen. Zwar engagiert sich die Stadt immer wieder mit Einzelmaßnahmen. Ein regelmäßiger Zuschuss ist für die Planungssicherheit der Vereine jedoch notwendig. Diese Investition ins Ehrenamt bringt für den sozialen Zusammenhalt einer Kommune mit die höchste Rendite.
Megathema Digitalisierung:
Für uns alle ist eines der Megathemen der Zukunft die Digitalisierung: Weilheim ist auf den Zug der Digitalisierung aufgesprungen. Und das ist für die Zukunftsfähigkeit einer Stadt wie Weilheim am Rand der Metropolregion Mittlerer Neckar gut so. Nur wenn es gelingt, hochqualifizierte Arbeitsplätze durch Breitbandanbindung im ländlichen Raum zu halten, kann Weilheim weiter prosperieren. Herr Habbel als externer Projektverantwortlicher hat in der Zukunftswerkstatt Digitalisierung und im Rat mehrfach betont, dass nicht vor allem die technischen Möglichkeiten die Richtung bestimmten dürfen, sondern der mögliche Mehrwert für die Menschen an erster Stelle stehen muss. Deshalb sollte insbesondere im sensiblen Bildungsbereich darauf geachtet werden, dass nur geprüfte, nachweislich lernfördernde Anwendungen zum Einsatz kommen. Wenn Studierende „nur“ ein Smartphone oder Tablet in die Hand bekommen, haben sie schlechtere Prüfungsergebnisse als die Studierenden, die von Hand Notizen machen und Schüler lernen durch einen leibhaftigen Lehrer schneller eine Fremdsprache als mit Tablets. An erster Stelle muss immer die persönliche empathische Lernbeziehung durch einen engagierten Lehrer stehen. Kein Tablet mit seinen bunten Bildchen bildet eine starke, in Werten verankerte Persönlichkeit der Schüler aus. Das kann nur ein einfühlsamer, engagierter, leibhaftiger Lehrer.
Nur damit kein falscher Zungenschlag entsteht: Klar müssen wir die neuen Techniken nutzen, wo sie nützen. Und so unterstützen wir von der SBV die Digitalisierungsoffensive. Nur sollten wir uns vom mächtigen Digitalisierungs-ICE-Zug nicht irgendwohin treiben lassen, sondern mit kühlem Kopf selbst die Weichen stellen und Richtung und Fahrziel bestimmen.
Sinnvoll kann Digitalisierung im technischen Bereich eingesetzt werden. Durch die Vernetzung mit Wetterdaten könnten die Heizungen der städtischen Gebäude schon vor dem Aufreißen der Wolken gedrosselt werden und damit der CO2-Ausstoß und nebenbei auch die Heizkosten gesenkt werden. Die Räume könnten noch individueller beheizt und beleuchtet werden. Stichwort: Smart Home. Die erfolgreiche Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED mit 70% Einsparung an CO2 und Euros zeigt einmal mehr, dass mit Umweltschutz auch der Kämmereihaushalt geschützt wird!
Weiter könnten in der Verwaltung und im Verhältnis zum Bürger viele Anträge, Genehmigungen, Bescheide papierlos online erledigt werden. Die Verwaltung ist da, wie wir in der letzten GR-Sitzung gehört haben, schon auf einem guten Weg. Sie ist aufgefordert, sich bei anderen Kommunen nach machbaren Erleichterungen der notwendigen Bürokratie zu erkunden. Weilheim muss das digitale Rad nicht neu erfinden. Die eine oder andere Vorreiterrolle ist aber auch nicht verwerflich….
Ausbau der Schulsozialarbeit:
Leider nehmen die Verhaltensauffälligkeiten einzelner Schüler immer mehr zu. Ob das am übermäßigen Medienkonsum im Kinderzimmer liegt, ob Eltern immer weniger erziehen können oder wollen sei dahingestellt. Tatsache ist, dass die Schulsozialarbeit immer mehr Zeit und Aufwand erfordert. Besonders das Sozialkompetenztraining, die Elternarbeit und das Konzept der „Auszeit“, bei dem verhaltensauffällige Schüler zeitweise aus dem Unterricht genommen werden, erfordern deutlich mehr Zeit, als zunächst angenommen. Das ist bedauerlich und natürlich finden wir auch, dass Erziehung vor allem im Elternhaus stattzufinden hat. Nur wenn das von den Eltern aus verschiedenen Gründen nicht geleistet wird, - dürfen wir dann diese Kinder schulterzuckend allein zurücklassen? - Sorry, der Zug ist abgefahren. Ich finde nicht. Und auch aus ureigenem Eigeninteresse sollten wir frühzeitig kraftvoll gegensteuern. Wir beantragen daher, die Stelle der Schulsozialarbeit an der Limburggrundschule auf 75% aufzustocken.
Feuerwehr:
In der letzten GR-Sitzung haben wir den Waldbericht von Revierförster König gehört und alle haben sehr interessiert zugehört und nachgefragt. Wir hatten Berichte der Bibliothek und vom Jungendtreff. Nur wo bleibt ein Bericht der Feuerwehr im GR, die mit ihrem hohen und engagierten Einsatz für unser aller Sicherheit sorgt? Daher regen wir einen jährlichen Bericht der Feuerwehr über ihre Arbeit an. Hier im GR sollte die Feuerwehr ein Forum erhalten, um über die Einsätze und ihre Einsatzbedingungen zu berichten.
Senioren/Wohnen:
Neben der Jugend als unsere Zukunft, muss unser Augenmerk langfristig auch deutlich auf die Senioren als unsere Gegenwart gerichtet werden. Wir sind mit dem Seniorenforum und dem, zusammen mit dem Krankenpflegeverein neu geschaffenen Bürgerbus, schon auf einem guten Weg. Weitere Chancen, die verschiedenen Angebote zu bündeln, könnte das neue Quartier Brückengasse bieten. Je nachdem, was der jetzt laufende städtebauliche Wettbewerb für Ideen bringt, könnten Flächen für eine soziale/gemeinschaftliche Initiative vorgesehen werden. Mittelfristig könnte das Büro des Seniorenforums barrierefrei entstehen und mit in eine Begegnungsstätte für Senioren umziehen. Durch die Nähe zur Schule könnte sich auch die Verbindung mit der Jugend, im Sinn eines Mehrgenerationenhauses, anbieten. Das sind mittelfristige Überlegungen, die jedoch frühzeitig in die weiteren Planungen des Quartiers Brückengasse einfließen sollten, damit der Zug nicht irgendwann abgefahren ist.
Bürgerbeteiligung:
Ich habe zu Beginn in den ersten Sätzen kurz die Bürgerbeteiligung angesprochen. Eine Möglichkeit der Bürgerbeteiligung, die zudem auch Papier einspart, könnte sein, das Mittelungsblatt in digitaler Form online zu stellen, sodass alle Bürger informiert werden. Ich könnte mir vorstellen, dass gerade Mitbürger jungen und mittleren Alters, die eher schwer für kommunale Themen interessiert werden können, das Mitteilungsblatt lieber auf Smartphone oder Tablet lesen möchten. Darin könnten unverbindliche Online-Befragungen zu wichtigen kommunalen Entscheidungen integriert werden. Durch so ein niederschwelliges Angebot, könnten politisch interessierte Bürger motiviert werden, sich mit kommunalen Themen zu beschäftigen und sich dann auch mehr einzubringen. Wichtig ist dabei, von Anfang an klar zu vermitteln, dass dies nur ein unverbindliches Stimmungsbild sein kann. Die bindenden Entscheidungen müssen dann natürlich die legitimen, demokratisch gewählten Vertreter, sprich der Gemeinderat, verantwortlich treffen.
Zug-Ringschluss Kirchheim-Weilheim-Boll-Göppingen:
Lasen Sie mich zum Schluss beim Thema Mobilität noch einen etwas weiteren Bogen spannen.
Neben der wichtigen digitalen Anbindung von Weilheim, ist auch die tatsächliche Verbindung der Menschen von Weilheim in den Großraum Stuttgart wichtig. Herr BM Züfle erwähnte in seiner Rede am Zehntweintrunk auch die Bedeutung einer zukunftsfähigen Mobilität. Dafür braucht es eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur. Mit der Autobahn ist Weilheim beim Individualverkehr sehr gut angebunden (Wenn uns auch die langen Pendlerstaus die Grenzen des individuellen Autoverkehrs deutlich vor Augen führen). Für einen leistungsfähigen Öffentlichen Verkehr ist eine schienengebundene Verbindung nach Kirchheim und Göppingen dringend notwendig. Zugegeben, das Thema sprengt die kurzfristige politische Perspektive von HH-Plan zu HH-Plan. Doch gerade eine nachhaltige, verantwortungsvolle Politik für Weilheim, muss auch Langfristiges, vielleicht zunächst Utopisches in den Blick nehmen. Könnte so ein Blick in 15 Jahren das Bild einer S1 im Stuttgarter Hauptbahnhof mit der Endhaltestelle „Weilheim an der Teck“ sein? Oder vielleicht eine kombinierte Stadtbahn und Zugverbindung von Kirchheim über Weilheim/Boll nach Göppingen zum Regionalexpress? So eine Kombination aus Straßenbahn und Regionalzug fährt ja sehr erfolgreich in Karlsruhe, - ist also nichts Neues und man hat Erfahrung. Apropos erfolgreich: Ca. 23 Bahnstrecken wurde in Baden-Württemberg erfolgreich wiederbelebt. Aktuell wird die Herman-Hesse-Bahn nach Calw geplant. Da wäre es doch klasse, wenn die Bahnstrecke Kirchheim - Weilheim - Boll - Göppingen die 24. erfolgreiche Streckenreanimierung wäre und Weilheim auch über die umweltfreundliche Schiene an den Großraum Stuttgart angebunden wäre. Wir beantragen daher die aktive, engagierte Unterstützung der notwendigen Gutachten und Schritte durch die Stadtverwaltung,- - - damit Weilheim in 15-20 Jahren nicht abgehängt ist.
In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit für „Weilheim ist am Zug“
Die Anträge der SBV:
- Prüfung der Möglichkeit einer Gestaltung der Rückseite des neuen Kindergarten Schellingstr. durch eine Gruppe Jugendlicher.
- Bereitstellung eines HH-Postens für die Errichtung eines Mountainbike-Strecke in Hepsisau
- Erhöhung des städtischen Zuschusses für die Jugendarbeit der Vereine auf 15,00 €/ 7,50 €
- Prüfung der Aufstockung der Schulsozialarbeit an der Limburgschule auf 75%
- Einen jährlichen Tätigkeitsbericht der Feuerwehr im GR
- Prüfung von Bürgerbefragungen im „Online-Mitteilungsblatt“
- Prüfung der Möglichkeit einer Begegnungsstätte im Quartier Brückengasse.
- Aktive Unterstützung der Planungen einer möglichen Schienenverbindung Kirchheim Weilheim Göppingen und regelmäßige Unterrichtung des Gemeinderats.
Dr. Ulrich Mors