von Dr. Ulrich Mors

Weilheim stellt die Weichen für ein lebenswerte Zukunft

Weilheim stellt die Weichen für ein lebenswerte Zukunft

Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen, sehr geehrter Herr Bürgermeister Züfle mit Verwaltung, liebe Gemeinderäte. Auch ich möchte mich im Namen der Sozialen Bürgervereinigung bei allen Mitarbeitenden der Verwaltung für die Bewältigung der Arbeit im letzten Jahr herzlich bedanken. Es war wegen den Bürgerbeteiligungen Rosenloh und des Kindergartenausbaus für uns alle ein sehr arbeitsreiches Jahr. Mal sehen, was uns 2023 bringt....

 

Dafür möchte ich Sie auf eine Reise mitnehmen, eine Reise in eine gelungene Zukunft für Weilheim. Und so steht die Haushalts-Rede unter dem Motto:

 

Weilheim stellt die Weichen für eine lebenswerte Zukunft

 

Welche Weichen sind oder werden mit dem neuen Haushalt 23 schon richtig gestellt?

Im Teckboten ist über die Ausführungen vom BM Züfle ja vor wenigen Tagen ausführlich berichtet worden, so dass ich nur kurz in Stichworten anreißen möchte, was aus unserer Sicht wichtig und zielführend ist: Von den insgesamt 17 Mio Euro fürInvestitionen erhält die Jugend für Schulturnhalle und Kindergärten 10,5 Mio. Bei allen Kindergarten-Erweiterungen wurden energiesparende Geothermie-heizungen und Photovoltaik eingeplant. Damit wurde ein Antrag der SBV zeitnah umgesetzt, die städtischen Gebäude Zug um Zug mit Photovoltaik zu belegen.

Von uns hartnäckig verfolgte Projekte wie Car-Sharing und ein BHKW in der Kläranlage scheinen auf die Zielgerade einzubiegen.

Der Breitbandausbau kommt voran und nach jahrelanger Planung bekommt Hepsisau den Wunsch nach einer grunderneuerten Ortsdurchfahrt erfüllt. Hoffentlich gefällts!

Den Plan, mit einem weiteren Jugendforum in 2023 den Jugendlichen Kommunalpolitik schmackhaft zu machen, unterstützen wir ausdrücklich. Die Jugend muss mit unseren Beschlüssen ja noch lange leben.

 

So gesehen, schein schon alles in Butter. Und ja, Weilheim war und ist in den letzten Jahren auf einem guten Weg. Doch das Bessere ist des Guten Feind. An dieses Verbesserungspotential möchte ich mich jetzt machen und einen großen Bogen in die Zukunft schlagen

 

In den kommenden Jahren stehen 3 wesentliche Weichenstellungen für ein lebenswertes Weilheim an:

 

Beim ersten ist der Zug schon auf dem richtige Gleis. Jetzt heißt es Spur halten um nicht auf das Abstellgleis zu fahren. Ich spreche von unserem Großprojekt Rosenloh. Die 3-fache Bürgerbeteiligung und der Gemeinderat hat ein eindeutiges Votum für ein modernes, ökologisch hochwertiges und damit flächensparendes Gewerbegebiet abgegeben. Hier heißt es gegenüber den Bürgern Wort zu halten. Eine weitere Betonwüste, wie es sie im Großraum Stuttgart zuhauf gibt, mag kurzfristig für den ein oder anderen billiger erscheinen. Langfristig werden nur zukunftsweisende, nachhaltige Gewerbegebiete ihre Attraktivität erhalten. Deshalb muss eine maximale Verdichtung z.B. der unproduktiven Parkplätze angestrebt werden, um Platz für möglichst viele hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen. Die angestoßene Wärmeleitplanung könnte der Anlass für ein Nahwärmekonzept sein, bei dem überschüssige Energie aus der Produktion für die Heizung z.B des Bildungszentrums Wühle und der angrenzenden Wohngebiete verwendet wird. Möglicherweise kann eine ressourcenschonende Bauweise mit Holz durch Pluspunkte bei der Vergabe berücksichtigt werden. Wir sollten ein Gewerbegebiet für die Zukunft bauen, nicht für die Gegenwart.

 

Immer wieder wurde im Zusammenhang mit dem ökologischen Gewerbegebiet Rosenloh ein Verkehrskonzept für ganz Weilheim angemahnt. Auch dieser Zug nimmt schon Fahrt auf und voraussichtlich im Herbst werden wir die Weichen für den Verkehr in Weilheim in den nächsten 10-15 Jahren stellen. Es wird dann darum gehen, an Hand aktueller Daten mithilfe des Verkehrsplanungsbüros den Verkehrsraum wieder für unterschiedliche Nutzer gleichermaßen sicher und bequem zu machen. Dabei wird das Auto im ländlichen Raum natürlich eine Rolle spielen. Aber in welcher Form? Ist es wirklich wünschenswert, wenn vor jeder Wohnung 2 oder oft schon 3 Autos 23 h Platz auf der Straße beanspruchen, aber nur eine Stunde pro Tag wirklich benutzt werden und fahren? Oder könnten wir in Zukunft nicht mit einem integrierten System per App immer das aktuell passendste Verkehrsmittel wählen? Das kann mal das Auto oder der klassische ÖPNV sein, aber auch Carsharing oder ein bedarfsgerecht abrufbarer Kleinbus. Ergänzt durch bequeme Radwege und sichere Fußwege gewinnen wir so Raum für eine vielseitigere Straßennutzung. Vielleicht ließe sich ja doch einmal ausprobieren, wie sich ein autofreier Markplatz anfühlt, auf dem man seine kleinen Kinder gefahrlos springen lassen kann und selbst nach einem Einkauf gemütlich im Straßenkaffee sitzt. Kennen Sie eine Stadt unserer Größe, die eine Fußgängerzone wieder zurückgebaut hätte, weil die Autos in der Innenstadt vermisst werden? Ich nicht! Vielmehr waren überall nach anfänglichen Widerständen alle, auch die Einzelhändler zufrieden und froh. Wir werden sehen, wohin die Reise geht.

 

Für ein weiteres Verkehrsprojekt reicht die Weichenstellung auf bestehenden Gleisen nicht mehr aus. Um langfristig alle Mobilitätskonzepte für Weilheim und für das neue „Klimawerk“ von Cellcentric zur Verfügung zu haben, muss die Planung der Reaktivierung einer Schienenanbindung von der Verwaltung kraftvoll vorangetrieben werden. Ein Gutachten dazu ist vor wenigen Wochen fertig gestellt worden. Es sollte daher zeitnah im Gemeinderat von den Verfassern vorgestellt werden. Sicher ist das ein sehr, sehr langfristiges Projekt. Wir müssen uns aber klar machen, dass hier für Weilheim ein kurzes Zeitfenster besteht, die aktuell überaus großzügige Förderung von 95% für eine weitere Jahrhundertchance zu nutzen. Auch das ist Nachhaltigkeit, wenn wir heute eine Planung beauftragen, die erst unseren Kindern und Enkeln nützt.

 

Die 3. Weichenstellung betrifft die schon angestoßene Quartiersentwicklung. Wir haben in den letzten Jahren zurecht enorm viele Anstrengungen für die jüngere Generation auf den Weg gebracht. Jetzt müssen wir auch die größer werdende Gruppe der Älteren in den Blick nehmen, zu der wir übrigens früher oder später alle einmal gehören werden!Dabei sollten wir die Weichen eindeutig zu „mehr Integration“ stellen. Hier das Jugendzentrum, dort die Seniorenresidenz ist nicht mehr zeitgemäß. Wir von der SBV haben immer wieder das Quartier Brückengasse als ideale Platz für ein Mehrgenerationenprojekt angesprochen, - mitten in der Stadt und in der Nähe der Grundschule. Vielleicht könnte dort auch eine barrierefreie Erreichbarkeit des „Sozialen Netzes“ ermöglicht werden? Natürlich ist das kein Projekt der nächsten 2-3 Jahre. Zuerst muß der leider verzögerte Neubau der Schulturnhalle über die Bühne. Wir sollten das aber im Auge behalten und bürgerschaftliche Initiativen in Weilheim auf diesem Weg ggf. frühzeitig einbinden.

Zeitnaher könnte die Integration neuer Wohnformen (Stichwort „Cluster-Wohnungen“) oder einer Kinderbetreuung im neuen Wohngebiet Olgastr. verwirklicht werden. Wie im Teckboten vom 17.12. zu lesen war, sind örtliche Bauträger dafür aufgeschlossen und verhandlungsbereit. Die Verwaltung ist ja schon beauftragt, die Möglichkeiten für einen längerfristigen Mietvertrag oder Teileigentum zu prüfen.

 

Damit der Weilheimer Zug kraftvoll in die Zukunft fährt, braucht es neben der Hardware auch Menschen die ihn bedienen.Dabei sind wir beimFachkräftemangel, der uns mehr noch als die finanziellen Mittel bremst. Die Stadt Weilheim ist durch verschiedene Maßnahmen ein attraktiver Arbeitgeber. Trotzdem muss immer wieder daran erinnert werden, dass gewonnene Arbeitnehmer auch gehalten werden müssen. Dabei sind neben materiellen Anreizen auch Softskills wie Wertschätzung, Mitgestaltungsmöglichkeiten und die Ansprechbarkeit der Führungskräfte wichtig. Weiter sollten die Ausbildungsanstrengungen ggf auch für Quereinsteiger beibehalten und verstärkt werden. Nur dann können wir in der Zukunft die nötigen Fachkräfte einstellen.

Obwohl in Deutschland 2022 mehr Arbeitsstunden geleistet wurden als je zuvor, fehlt es zunehmend an Menschen und Händen, die konkret zupacken und etwas aufbauen. Wir projektieren, präsentieren, digitalisieren, evaluieren, kontrollieren wie Weltmeister. Immer mehr Arbeitszeit wird am Schreibtisch verbracht. Draußen auf dem Dach oder im Graben, beim Bau eines Windrades, am Krankenbett, im Kindergarten sind wir dagegen Kreisliga. Zum einen fehlt dem „Handwerk“ die dringend nötige Wertschätzung. Zum andern bremsen uns überzogene Ansprüche und bürokratische Anforderungen aus. Wir haben das schmerzhaft bei Rosenloh und bei der Planung des Jurtenkindergartens Weinsteige gesehen. Sicher ist vieles von Bund und Land vorgegeben. Wir sollten uns aber an der eigenen Nase fassen und in der städtischen Verwaltung wo immer möglich Abläufe verschlanken, auch wenn dadurch vielleicht mal die Erfüllung fragwürdiger Normen nicht ganz perfekt gelingt.

Oder mit einem bonmot: Nachdem die Halbgötter in Weiß zum Glück entthront sind, sollten wir das Feld nicht kritiklos den Halbgöttern in Schwarz, den Juristen, überlassen.

Beim Fachkräftemangel und den Ansprüchen poppt wie ein Menetekeldie verpflichtende Ganztagsbetreuung an Grundschulen ab 2026 auf. Dafür muss rechtzeitig ein Konzept, Räumlichkeiten und auch Personal bereitstehen. Mir ist schleierhaft, wie dieses wünschenswerte Angebot personell gestemmt werden soll, um für die Eltern auch verlässlich zu sein.

 

Nach diesen eher großen Bögen, wie die Weichen für ein lebenswerte Zukunft Weilheims gestellt werden könnten, richte ich jetzt den Blick aufs Stellwerk, also auf uns, die tagesaktuell die Weichen richtig stellen sollten. Weniger bildlich kommen jetzt unsere konkreten Anträge. Da wir um die außergewöhnliche Arbeitsbelastung der Verwaltung wegen der letzten zähen Grundstücksverhandlungen wissen, halten wir uns in diesem Jahr mit neuen Anträgen zurück.

 

Frauenförderung:

Um den Fachkräftemangel im technischen Bereich zu verringern, braucht es dringend mehr Frauen, die sich so eine Tätigkeit zutrauen. Im öffentlichen Raum fehlen dafür Vorbilder. Die meisten Straßennamen sind männlichen Personen gewidmet. Wie wäre es, wenn wir die neuen Straßen im „forschenden“ Gewerbegebiet Rosenloh nach weiblichen Wissenschaftlerinnen benennen (Marie Curie, Ilse Meitner)? Wir wären dabei in guter Nachbarschaft: Kirchheim hat das im Gerwerbegebiet Kruichling schon umgesetzt.

 

Klimafolgenprüfung:

Bisher bekommen wir für jedem GR-Beschluss die finanzielle Auswirkung aufgezeigt, um deren finanzielle Nachhaltigkeit im Auge zu behalten. Gehört zur nachhaltigen Generationengerechtigkeit nicht auch, unseren Kindern eine bewohnbare, intakte Umwelt ohne lebensbedrohende Unwetter zu hinterlassen? Manche Städte weisen inzwischen regelmäßig auch die Klimafolgen eines Beschlusses aus. Zugegeben, das hört sich ziemlich aufwändig an. Ich höre schon die Verwaltung aufstöhnen. Aber wie das andere Städte z.B. Ravensburg und Ludwigsburg effektiv umsetzten, könnte doch mal erfragt werden.

 

Schutz bei Großereignissen:

Bei den Klimafolgen schließt sich noch eine weitere Notwendigkeit an: Die Information der Bevölkerung im Katastrophenfall. Die Ahrtalkatastrophe hat gezeigt, dass Telefon und Mobilfunk mangels Stromversorgung, Zerstörung und Überlastung die Bevölkerung nicht rechtzeitig erreichten. Sollte wir nicht doch versuchen, die guten alten Sirenen zumindest je eine für die Kernstadt, Egelsberg und Hepsisau wieder zu installieren?

 

Liebe Kollegen/innen, ich komme zum Schluss: Wenn wir heute die Weichen mutig in die richtige Richtung stellen, hat Weilheim trotz aller Herausforderungen eine spannende und zuversichtliche Reise in die Zukunft vor sich. Ich freue mich auf die Diskussionen zum Reiseziel und Weg dorthin und bedanke ich mich im Namen der Sozialen Bürgervereinigung für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 

Unsere Anträge zusammengefasst:

 

  1. Prüfen, ob weitere zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden können
  2. Fortentwicklung des Quartierskonzepts unter Einbeziehung vorhandener bürgerlicher Gruppen
  3. Zeitnahe Information des Gemeinderats über die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung einer Schienenanbindung Weilheims unter Einbeziehung des Gutachters
  4. Straßennahmen im neuen Gewerbegebiet Rosenloh nach weiblichen Wissenschaftlerinnen benennen
  5. Prüfen, wie eine Klimafolgenprüfung relevanter GR-Beschlüsse aufwandsarm umgesetzt werden könnte
  6. Prüfen, ob mindestens 3 Sirenenstandorte geschaffen werden können